Noch einmal Wunschengel sein

von Anneliese Kranzberger

mittellange Engel Weihnachtsgeschichte

diese Engelgeschichte eignet sich für Kinder ab 6 Jahren. Auch als PDF Version verfügbar

wunschengel

„Jetzt macht schon! Schneller! Schneller! Wir haben keine Zeit zu verlieren!“, forderte ein Engel eine kleine trödelnde Engelschar dazu auf, schneller zu fliegen, als sie gerade an der Wolke von Engel Michael vorbei kamen. Traurig schaute er ihnen hinterher. Am liebsten wäre er mit ihnen geflogen, aber leider hatte man ihn vor kurzen in den himmlischen Innendienst versetzt, weil er angeblich den Anforderungen der Erdenflüge nicht mehr gewachsen sei. Das hatte der „Himmlische Engelsrat“ so beschlossen, als er nach dem Tauglichkeitstest für ‚Himmlische Flugsicherheit‘ durchgefallen war. 

Nur, weil ihm der Orientierungssinn etwas abhandengekommen war und er deshalb auf kleineren Umwegen, was wirklich nicht der Rede wert war, meinte er, oft zu spät an seinen Einsatzorten erschien. Das ihn hin- und wieder die Übelkeit während des Fluges schwer zu schaffen machte und das gelegentliche Taumeln, wobei er so manches Mal ungewollte andere Engel aus ihrer Flugbahn warf, oder dabei des Öfteren in den Ästen von Bäumen landete, waren doch auch nur Bagatellen. „Das kann doch jeden Mal passieren! Das ist doch noch lange kein Grund für eine Untauglichkeit!“, hatte er vergebens gegen den Beschluss protestiert. Aber der damals zur Untersuchung beauftragte ‚Himmlische Flugtauglichkeitsprüfungsausschuss‘ war da anderer Meinung und weil es mit seiner Sehkraft auch nicht mehr zum Besten stand, hatte er keine Chance im Außendienst weiterhin tätig zu sein. Um seiner Sicherheit und um die Sicherheit aller himmlischen Wesen, hatte man ihn deshalb in das ‚Himmlische Amt für Wünsche‘ versetzt.
Nichts dem zum Trotz, dass es ihm da etwa langweilig geworden wäre. Nein! Ganz im Gegenteil! Die Wünsche der Erdenbewohner wurden immer mehr und er und seine Engelskollegen hatten viel zu tun mit der Aussortierung und Organisierung der Wünsche. Aber es war trotzdem kein Vergleich mit der Arbeit als Engel vor Ort. Sehen und spüren zu können, wie sich die Menschen freuten, wenn man sie vor einer Dummheit bewahrte, ihnen aus einer Notlage half, oder ihnen einen ersehnen Wunsch erfüllte, das war schon das Höchste für einen Engel. Gerade jetzt in der Advent- und Weihnachtszeit, wo täglich noch mehr Wünsche, eingefangen und getragen von winzigen Sternchen, bei ihnen ankamen. Und auch die vielen Briefe
für das Christkind die sie erhielten erforderten vollen Einsatz von ihnen. Sie mussten nämlich alle, nach den strengen Vorgaben
SEHR DRINGEND, DRINGEND, EVENTUELL
MACHBAR, aber auch nach UNERFÜLLBAR oder
SONDERWÜNSCHE, die jedoch nur nach Absprache mit
Dem ‚Himmlischen Rat‘ genehmigt wurden,
sortiert werden.
Bei so manchem Wunsch wäre er am liebsten gleich selbst los geflogen um ihn zu erfüllen. Wie neulich bei dem Wunsch von der kleinen Marion. Sie wünschte sich eine neue Puppe für ihre Freundin vom Nachbarhaus. Die lebte mit ihrer Mutter dort alleine und obwohl ihre Mutter oft bis spät in die Nacht arbeitete, reichte ihnen das Geld hinten und vorne nicht zum Leben. So versuchte sie zu sparen wo es nur ging und das eben auch an einer neuen Puppe für Marion. Aus alten Stoffwaren nähte sie ihrer alten Puppe neue Kleider und wurde immer frisch aufpoliert, wenn Marion Geburtstag hatte oder eben Weihnachten vor der Tür stand. Marion war zufrieden damit, weil sie wusste wie viel Mühe sich ihre Mutter damit gab, aber insgeheim wünschte sie sich eine neue Puppe.
Auch den Wunsch einer älteren Dame, die zu gerne mal wieder ihre drei Töchter friedlich vereint gesehen hätte, hätte er liebend gerne selbst erfüllt und alle anderen ehrlich gemeinten Herzenswünsche sowieso. Mit all den Wünschen, wobei es um Technik und Computer ging, konnte er allerdings nichts anfangen. Diese schob er liebend gerne den anderen Engeln zu. Also, wie gesagt! Arbeit hatte er genug. NUR!!!

Als die vorbei geeilten Engel außer Sichtweite waren, stützte er seinen Kopf zwischen seine Hände und schaute wieder auf den Teil der Erde hinab, wo Schnee lag. Er hatte heute seinen freien Arbeitstag. Wie immer verbrachte er ihn auf seiner Wolke, mit einer Tüte himmlischen Sternkeksen neben sich.
„Noch ruhig geht es heute dort unten her!“, dachte er bei sich. „Aber sicher wird sich das bald ändern, denn an den Tagen vor ‚Heilig Abend‘ geht es immer hoch her!“ So hielt er trotz seines freien Tages Ausschau nach den Wunschengeln, ob sie die ihnen beauftragten Arbeiten auch gewissenhaft erledigten und nicht nur Däumchen drehten und ihre Zeit unnütz verplemperten. Die Versuchung auf der Erde war groß dafür. Gerade jetzt mit den unzähligen Weihnachtsmärkten, den vielen zu bestaunenden weihnachtlich dekorierten Kaufhäusern und mit den verführerischen Düften die sich in den Häusern verbreiteten, war es schon verlockend die Seele einfach baumeln zu lassen.
Die Hoffnung dies alles auch noch mal selber vor Ort erleben zu dürfen, hatte aber Engel Michael noch nicht aufgegeben. Gerade jetzt, wo er sich eine Brille zugelegt hatte, was ihm jedoch momentan noch nichts nutzte, weil Engeln es verboten war, mit Brille zu fliegen. Noch verboten war! Engel Michael hoffte aber, dass dies nicht mehr lange so sein werde, da schon viele Engel auf Sehhilfen angewiesen waren. Und seit geraumer Zeit besuchte er auch Kurse im Kartenlesen und machte regelmäßige Turnübungen gegen seine Gleichgewichtsstörungen und trank auf Empfehlung des Engelarztes täglich einen, jedoch abscheulich schmeckenden Tee, um seiner Übelkeit vorzubeugen.
„Ein paar Wochen werde ich noch warten, dann stelle ich beim ‚Himmlischen Engelsrat‘ erneut einen Antrag zur Genehmigung von Erdenflügen“, meinte er. „Aber gut wäre es schon, wenn ich mal einen Probeflug wagen könnte! Aber wie nur? So ohne Genehmigung!“ Darüber musste er nun wieder nachdenken. Und er dachte darüber so intensiv nach, dass er gar nicht bemerkte, wie sich der Himmel unter ihm verdunkelte, weil sich schwere, mit Schnee beladene Wolken breit machten. Mit wildem Getöse, weil auch der Wind sein bestes dazu gab, ließen sie den vielen Schnee auf die Erde fallen.
„Hui! Hui! Hui!“, heulte der Wind, weil es ihm Spaß machte den Schnee durch die Luft zu wirbeln, um ihn dann auf der Erde zu riesigen Schneebergen auf den Straßen, Wegen und vor den Häusern zum Liegen zu bringen. Donner, war das ein Vergnügen für ihn, nun den Menschen zuzusehen, wie sie sich gegen ihn stemmten, ihre ganze Kraft aufwandten, um sich vor ihm in Sicherheit zu bringen. Dass, er mit seinem ausgelassenen Treiben, auch die Arbeiten der Engel auf der Erde erschwerte, hatte er schon wieder vergessen, obwohl er ein Abkommen mit ihnen hatte. Aber er war einfach so vergesslich!
Einem Engel wurde dieses Schneegestöber aber zu bunt. Keuchend, mit völlig zerzausten Haaren und durchnässten Gewand kam er erschöpft hinter einer dicken Schneewolke hervor und stand nun vor Engel Michael. Engel Michael wollte sich gerade einen Sternenkeks in den Mund schieben, als er ihn bemerkte. Ohne ihn aber zu begrüßen, schimpfte aber der Engel drauflos.
„Das gibt es doch nicht! Was fällt dem nur ein gegen alle Abmachungen so ein Schneegestöber zu veranstalten! Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit war mit ihm vereinbart worden, dem schönen ruhigen kalten Winterwetter Vorrang zu lassen!“
Engel Michael schaute ihn mit großen Augen an. Im Moment wusste er nicht was gespielt wurde, war er mit seinen Gedanken doch noch ganz wo anders.
„Was sagst du dazu? Das ist doch eine Himmel hoch schreiende Gemeinheit was sich der Wind da wieder mal leistet. Ich habe es ja schon immer gesagt, mit dem sollte man sich erst gar nicht einlassen. – Nun sag schon! Was meinst du dazu?“
Nun war auch bei Engel Michael der Groschen gefallen. Er erkannte sein Gegenüber! Er war einer der sieben Mitglieder des ‚Himmlischen Engelrates‘. Einer der es immer besonders genau mit den Vorschriften nahm und den Beschluss, ihn in den Innendienst zu versetzen, als erster zustimmte. Kein Wunder, dass sich Engel Michaels Blick verfinsterte, bevor er antwortete. „Ihm wird es so gefallen! Und so schlimm ist es auch wieder nicht, wenn er sich mal austobt. Für den Wind ist das doch eine ganz normale Sache!“
„Was erzählst du denn da für einen Unsinn! Normal hin- oder her! Er hat sich trotzdem an unsere Abmachungen zuhalten. Da könnte ja jeder tun und lassen was er will. Für was gibt es die Wetterverordnungen!“, rief er empört und musste tief Luft holen. „Oder macht es dir vielleicht Spaß, bei so einem Wetter zu fliegen?“
„Mir würde es schon Spaß machen, wenn man mich nur Fliegen lassen würde. Aber ich darf ja nicht mehr. So hat es der ‚Himmlische Engelsrat‘ beschlossen“, rieb ihm Engel Michael das unter die Nase.
Da war er für einen Moment sprachlos. Aber um nicht den Eindruck zu erwecken, dass ihm nun dazu nichts mehr einfiel, verschlang er seine Arme vor der Brust und betrachtete Michael eindringlich, bevor er darauf antwortete. „Du bist doch der Engel, der Probleme mit dem Fliegen hat. Genau! Probleme mit der Orientierung, ständige Übelkeit und einer Sehschwäche. Stimmt’s! Jetzt erkenne ich dich wieder! Du hast dich damals vor dem Engelsrat ganz schön daneben benommen!“
„Habe ich das!“
„Ja, das hast du!“
Nun konnte sich aber Engel Michael nicht mehr zurückhalten. Wie aus der Pistole geschossen sagte er. „Aber ich will wieder zurück in den Außendienst! Ich nehme Kurse im Kartenlesen und gegen die Übelkeit trinke ich einen heilenden Tee. Und wie du siehst trage ich jetzt eine Brille. – Also, was spricht eigentlich weiterhin dagegen, dass ich nicht mehr zurück kann in den Außendienst? – Wenn ich wenigstens mal Probe fliegen dürfte!“
„Immer diese Einwände gegen beschlossene Sachen! Meint ihr neunmalklugen Engel denn, dass es die ‚Himmlischen Verordnungen‘ nur zum Vergnügen gibt und der Engelsrat nur zum Zeitvertreib sich damit befasst“, wies ihn der Engel zu Recht.
„Das nicht!“, verteidigte sich Michael.
Was dann?“, fragte der Engel.
„Ich will einfach nur nochmals die Chance bekommen zur Erde fliegen zu dürfen, um dort Wünsche zu erfüllen. Nur dafür habe ich die Kurse belegt und Gesundheitlich mich wieder auf den Vordermann gebracht. – Das ist doch nicht zu viel verlangt, wieder ein Wunschengel sein zu dürfen!“, erklärte ihm Engel Michael die Sache nun mit aller Ruhe.
Da zwang sich auch der Engel vom ‚Himmlischen Engelsrat‘ zur Ruhe und wurde sehr nachdenklich. Schließlich setzte er sich neben Engel Michael. So saßen die Beiden nun stumm nebeneinander. Der Engel dachte nach und Engel Michael wartete darauf, bis der Engel ihm darüber Bescheid gab, worüber er nachdachte. Und das dauerte! Lange! Sehr lange! Erst, als die ersten Sterne schon zu leuchten begannen, da meinte der nachdenkende Engel.
„Also gut! Meine Genehmigung hast du! Morgen kannst du den ganzen Tag wieder ein Wunschengel sein! Aber sollte es nicht gut laufen, dann wirst du für immer im Innendienst arbeiten müssen. Verstanden!“
Engel Michael strahlte übers ganze Gesicht und machte solche Freudensprünge auf seiner Wolke, dass diese heftig ins Wanken geriet.
„Sachte! Sachte!“, versuchte der Engel seinen Übermut zu bremsen. „Ich freue mich einfach so! – Ich werde meine Sache gut machen. Das verspreche ich!“, jubelte Engel Michael und sprang wieder in die Luft vor Freude.
„Wir werden sehen!“, meinte der Engel. „Ich muss jetzt weiter zu einer ‚Himmlischen Engelratssitzung‘. Dort werde ich gleich Bescheid geben! – Ich wünsche dir alles Gute für deinen morgigen Probeflug! Bis bald dann!“
Als der Engel fort war, flog Engel Michael aber noch rasch ins ‚Himmlische Amt für Wünsche! Um sich dort für morgen abzumelden und sich noch in die Liste der zu erfüllenden Wünsche einzutragen. Ordnung muss schließlich sein!

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